Eine Arbeit in zwei Welten: Hebamme Augusta Theler ist sowohl im Spital Thun in der Schweiz als auch als Entwicklungshelferin in Nepal und Haiti tätig. Hier moderne Technik, Medikamente und ein unterstützendes Team - da Mangel und Zerstörung.
Dieses Buch schildert eindrücklich und ergreifend ihre Arbeit und rückt auch ihre Familiengeschichte in den Vordergrund. In der Geburtshilfe war nämlich schon Augusta Thelers Großmutter tätig - als Dorfhebamme. Die eigene Familiengeschichte zeigt hier, welche Veränderungen sich im Hebammenberuf in der Schweiz vollzogen haben: Großfamilien aufgrund fehlender Verhütungsmittel und religiöser Vorschriften, illegale Abtreibungen und Kaiserschnitt ohne Narkose gehören in der Schweiz noch nicht allzu lang der Vergangenheit an. Und erinnert dies nciht auch an die Bilder, die Theler während ihrer Entwicklungsarbeit wahrnimmt?
Der Hebammenberuf wirkt auf die Bevölkerung häufig wie Erzählungen aus einer fernen Welt: spannend, faszinierend, berührend. Deswegen schreiben immer wieder Hebammen Bücher über ihre Arbeit. »Mit dem Hebammenkoffer um die Welt« ist erfrischenderweise mal keine Autobiografie. Die Journalistin Rebekka Haefeli schreibt über die Schweizer Hebamme Augusta Theler. Neben der Arbeit im Kreißsaal im Spital Thun reist diese immer wieder in Katastrophengebiete, um dort Hilfe zu leisten. Zwillinge im Flüchtlingscamp in Kamerun, Genitalbeschneidung in Eritrea, Uterusruptur im Erdbebengebiet auf Haiti, Hebammenschulungen in Nepal – immer wieder sieht sie sich neuen Herausforderungen gegenüber. Vor allem die äußeren Umstände und Lebenssituationen sowie kulturelle Hintergründe haben mich beim Lesen fasziniert. Und nie vorher habe ich mir Gedanken gemacht, welche Vorbereitungen, Ausrüstungen oder welches Gepäck für einen Auslandseinsatz notwendig sind.
Unzweifelhaft sind die Erfahrungen, die Augusta Theler (zum Teil mit ihrem Partner zusammen) während ihres Engagements erlebt, aufregend und bewegend. Doch man darf auch nicht außer Acht lassen, wie aufopferungsvoll ihre heimischen Kolleginnen diese überstürzten Aufbrüche mittragen. Die Kreißsaalsituation und der Alltag in der Schweiz wurden von der Autorin übrigens wunderschön authentisch beschrieben. Man spürt, mit wie viel Faszination sie die Hebamme begleitet hat.
Doch nicht nur mit den Reiseberichten beschäftigt sich das Buch. Augusta Thelers Großmutter Anna Heynen arbeitete auch als Hebamme – in einem kleinen abgelegenen Bergdorf. 1916 begann sie ihre Arbeit und betreute für einen Hungerlohn, mit zehn Kindern und einem unterstützenden Ehemann an der Seite, ganze Generationen. Die privaten Schilderungen lassen spüren, wie verbunden sich Augusta Theler ihrer Familie fühlt.
Doch auch mit diesen Denkanstößen ist es noch nicht zu Ende. Die Journalistin geht in »Aspekte zur Entwicklung des Hebammenberufes« auf die Ausbildungssituation Anfang des 20. Jahrhunderts ein und auf den Kampf um die Anerkennung in Zeiten der Hospitalisierung. Außerdem auf Themen wie Schwangerschaftsabbruch, Verhütung und Kaiserschnitt in vergangenen Zeiten. Es sind zwei verschiedenen Welten – heute in Krisengebieten und auf dem Land vor 100 Jahren. Und trotzdem gleichen sie sich. Die Ängste und Beschwerden der gebärenden Frauen ebenso wie das Arbeiten der Hebammen: ohne technische Hilfe und häufig auf sich alleine gestellt. Ein berührendes Buch voller sachlicher Informationen!
DHZ 1/2020
Verlag: | Hier und Jetzt |
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Bundtyp: | Paperback |
Format: | 12 x 20 cm |
Seiten: | 187 |
Auflage: | 2. Auflage 2019 |
ISBN: | 978-3-03919-505-3 |