Für viele Frauen ist die Geburt ein äußerst schmerzhafter Vorgang. Dass die Geburtshilfe im deutschen Klinik- und Gebäralltag regelmäßig und beinahe unkritisiert von vielfältigen Formen der Gewaltausübung begleitet wird, ist ein Skandal, den Christina Mundlos’ Buch erstmalig thematisiert.
Die von ihr versammelten Erfahrungen von Müttern und Hebammen berichten von medizinisch unnötigen Kaiserschnitten, nicht genehmigter Genitalverstümmelung, von unnötig vielen und brutal durchgeführten vaginalen Untersuchungen, verweigerten Schmerzmitteln und festgeschnallten Frauen. Gebärende werden allein gelassen, ausgelacht und beleidigt, ihre Selbstbestimmung missachtet und Operationen ohne Betäubung durchgeführt. Bislang wurde diese Gewalt totgeschwiegen.
Christina Mundlos demonstriert, dass diese Beispiele keine Einzelfälle sind, sondern eine völlig tabuisierte Gewaltform und damit ein tiefgehendes, gesellschaftliches Problem. Sie zeigt die Zusammenhänge auf zwischen der stiefmütterlichen Behandlung der Geburtshilfe im Gesundheitssystem, einer noch immer vorhandenen Frauenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft und aktuellen politischen Vorgängen. Darüber hinaus stellt sie konkrete Forderungen an die Verantwortlichen, damit die Gewalt unter der Geburt beendet werden kann. Schwangere erhalten zudem Tipps, wie sie sich selbst am besten schützen und auf die Geburt vorbereiten können.
Christina Mundlos hat ein sehr engagiertes Buch geschrieben. Gewalt unter der Geburt – das ist ein Tabu, ein mit Scham behaftetes Thema, über das möglicherweise gar nicht nachgedacht wird. Christina Mundlos erkennt aber an, dass es sie gibt, und verfasst ein Plädoyer sowohl für das Anteilnehmen als auch für Expertentum. In ihrem Buch soll Gewalt unter der Geburt aufgedeckt und angeklagt werden. Schon die einleitenden Worte von Dr. Katharina Hartmann machen deutlich, dass die Gesellschaft und das damit verbundene Frauenbild und die Entwicklung dessen untrennbar mit dem Thema verbunden sind.
Weiter geht es dann mit einem Kapitel über die Definition von Gewalt und Gewalt unter der Geburt. Dabei werden verschiedene Theorien über die Entstehung von Gewalt zusammengefasst. Zahlreiche Erfahrungsberichte aus unterschiedlichen Perspektiven sind das Kernstück des Buches. Sie sind berührend und belastend zugleich. Mir kamen viele Bilder in den Sinn – eigene Erfahrungen aus der Ausbildung, dem Arbeitsalltag und der eigenen Erfahrung. So viele Erwartungen, Erfahrungen, Wünsche und Realitäten, aber eines, was deutlich wird: So kann und so darf es nicht zugehen, wenn Frauen Kinder gebären – oder schlicht Menschen mit Menschen umgehen!
Die Folgen sowie Gedanken zur Prävention und zu den politischen Dimensionen werden daraufhin ausgeführt. Ein ausführlicher Serviceteil gibt eine Übersicht über Unterstützungsangebote. Ansatzpunkte gibt es, wenn auch einige davon Macht voraussetzen: Macht über die Entscheidung darüber, wofür Geld ausgegeben wird.
Ein berührendes Buch – wichtig, dass das Thema Anerkennung findet und mit dem Tabu gebrochen wird, vor allem für Fachpersonen.
DHZ 1/2016
Verlag: | Tectum Verlag |
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Bundtyp: | Kartoniert |
Seiten: | 216 |
Auflage: | 1. Auflage 2015 |
ISBN: | 978-3-8288-3575-7 |