Kritisiert wird dabei etwa die Ausblendung des spezifischen, uneinholbar subjektiven Erlebenskontextes der Schwangeren, problematisiert wird ein Zugriff, der über präskriptiv-normative Zugangsweisen Kriterien für eine gelingende Geburt vorgeben möchte. Kontroversen ergeben sich zudem aus der Professionenkonkurrenz zwischen Hebammen, Ärztinnen und Ärzten. Umstritten ist weiterhin die Bedeutung der Geburt als Statusübergang, eine Frage, die durch die erweiterten Möglichkeiten pränataler Diagnostik ihre Dringlichkeit gewinnt: Begründet erst die Geburt ein eigenständiges Lebensrecht? Schließlich steht zur Debatte, welche Anhaltspunkte sich für eine Ethik der Elternschaft aus dem spezifischen Geschehen von Schwangerschaft und Geburt ableiten lassen. Die Beiträge dieses Bandes loten in interdisziplinärer Perspektive verschiedene Zugänge zu diesen Grundfragen des Menschseins aus.
Das Buch widmet sich im Großen und Ganzen dem Thema Grenzerfahrungen, in diesem Fall der Grenzerfahrung, ins Leben zu kommen. Zunächst in den Mutterleib und schließlich durch die Geburt auf die Welt.
Kapitel I beschäftigt sich damit, ab wann Leben eigentlich Leben ist. Unterschiedliche Erklärungen aus Medizin und Religion werden herangezogen. Vor allem aber geht es darum, ab wann ein Mensch das Recht auf ein würdevolles Leben hat. Im zweiten Kapitel werden verschiedene Aspekte der Geburt genauer betrachtet, aber auch Themen wie der Rechtsanspruch und die Einwilligungsfähigkeit unter der Geburt. Als Nächstes beschreibt Kapitel III die Geschichte der Geburtshilfe – vom 18. Jahrhundert bis heute. Zuletzt wird in Kapitel IV eine Diskussion über Pränataldiagnostik und Schwangerschaftsabbruch geführt.
Zusammengefasst geht es in diesem Buch weniger um wissenschaftliche Nachweise (auch wenn diese zum Teil angebracht werden), sondern um die Fragen nach dem Sein und dem Werden. Wer Interesse daran hat, sich eindrücklich und intensiv mit philosophischen und theologischen Ansätzen zu den Themen Geburt, Abbruch oder Pränataldiagnostik zu befassen, für den kann dieses Buch empfohlen werden. Allerdings sollte man sich Zeit nehmen. Das Buch ist nicht gedacht als lockere Abendlektüre, um den Tag ausklingen zu lassen. Man braucht eine ruhige, konzentrierte Umgebung, um den Gedankengängen der Autor:innen folgen zu können. Für praktische Ratschläge in der Hebammenarbeit ist es weniger geeignet. Es zielt vielmehr darauf ab, persönliche Fragen nach dem Sein zu beantworten, oder versucht es jedenfalls.
Olivia Mitscherlich-Schönherr unterrichtet an der Hochschule für Philosophie in München. Reiner Anselm ist Dozent an der LMU München
Verlag: | De Gruyter |
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Bundtyp: | Hardcover |
Format: | 23 x 15,5 cm |
Seiten: | 361 |
Auflage: | 1. Auflage |
ISBN: | 978-3-11-071983-3 |